Umbau Bonner Kunstverein
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Technik ist mehr als Technik.

 

Zum Umbau des Bonner Kunstvereins

 

Wie einfach war doch einst die Welt: Der Mensch hatte zu arbeiten, also nützliche Dinge hervorzubringen. So aber sein Bedürfnis an Nützlichkeiten gestillt war, konnte er sich Höherem verschreiben: der Kunst, jener unmittelbaren Gestaltung, die zu nichts gut war als dazu, gut zu sein, sie selbst zu sein, die allerreinste Erbaulichkeit.

 

Doch leider hat sich diese Scheidung schon seit Langem überlebt: Zunächst trachtete die Arbeitswelt danach, ihre reine Nützlichkeit zu camouflieren – etwa indem die gründerzeitliche Wurstfabrik stolz gotische Stilelemente zitierte.

 

Als das Gebäude der Fabrik später zum Fabrikhaften, sprich: zum reinen Ausdruck technischer Notwendigkeit gelangte, als diese technische Notwendigkeit überdies nicht mehr nur die Fabrikgebäude, sondern das Antlitz der Welt im Ganzen bestimmte, schlug das Pendel in die andere Richtung. Die Welt der Kunst, hellauf angetan von jener machtvollen Vorweisung, begann, der Arbeit nachzugehen: 1917 brachte es Duchamp auf den Punkt, indem er ein Objekt präsentierte, welches im Eigentlichen dem reinen Bedürfnis verhaftet war.

 

Das war plausibel:  Die Kunst muss sich, falls sie von Welt sprechen will, die Frage der Technik zueigen machen – in welcher Art auch immer. Sie mag entschieden sein, die Dinge der technisierten Welt zu spiegeln. Freilich auf eine besondere Weise: Im Spiegel der Kunst scheinen die Dinge lichter. Kunst klärt, erklärt, verklärt.

 

Unter diesem Aspekt ist auch die gegenwärtige Kunstarchitektur zu verstehen, gar im doppelten Sinne: Einerseits gibt sie der Kunst Raum – jener zeitgemäßen Kunst, die in althergebrachter Erbauungs-Architektur nicht mehr gedeiht. Andererseits ist sie Kunst-Arbeit an sich. Wobei sie, und gerade sie, dabei stets nach der Technik fragt.

 

Die Bonner Blumenhalle wurde 1974 errichtet, seit 1987 ist sie Heimat des hiesigen Kunstvereins. Damals oblagen die Umbaumaßnahmen Haus-Rucker-Co. Als sich zwanzig Jahre hernach Verschleißschäden eingestellt hatten, wurde – auf Empfehlung der damaligen Architekten – rheinflügel mit der Neugestaltung betraut.

 

2007 fand der Umbau seinen Abschluss – entstanden ist ein durchaus eindrucksvolles Bauwerk: Marie Celine Schäfer und Karsten Weber haben die architektonischen Dinge geklärt, erklärt, verklärt.

 

„Man vermeidet die Nebenabsichten, etwa die des Geschmackes, man erhebt die technischen Fragestellungen in den entscheidenden Rang, und man tut gut daran, da sich hinter diesen Fragestellungen mehr als Technisches verbirgt.“

 

Schäfer und Weber haben die technischen Fragestellungen in den entscheidenden Rang erhoben – und überzeugend beantwortet. Zunächst haben die Architekten den Ursprungsbau hinsichtlich seiner Beschaffenheit befragt. Hier traten etwa die Unterzügeder Decken zutage – statische Notwendigkeit, demzufolge authentisch. Dieser Authentizität verpflichtet, haben Schäfer und Weber die Unterzüge nicht etwa versteckt, sondern durch Neonröhren zum Leuchten gebracht: Der Kunstgriff liegt darin, das Technische auf sich selbst, mithin über sich hinaus weisen zu lassen. Doch auch dort, wo der Kunstverein technische Fragen stellt, die sich mit einer Blumenhalle nicht mehr beantworten lassen, fanden die Architekten Lösungen, die hinsichtlich ihrer schlichten Klarheit beeindruckend sind. So besteht die Fassade des Kiosks, dank ihres transparenten Fachwerks,

im Grunde aus den Publikationen, die er verkauft – eine authentischere Lösung ist kaum denkbar.

 

Ein Gleiches gilt für den weißen Kubus, den Schäfer und Weber in die Mitte der Ausstellungshalle placierte. Zunächst verleiht er der Halle Sinn: Es geht nun darum, den Körper zu umqueren. Zudem vergrößert der Kubus die Wandfläche – und bietet in seinem Inneren schließlich einen beliebig er- und verschließbaren Raum, der die Forderung nach Variabilität auf verblüffend schlüssige Weise erfüllt.

 

Auch anderswo erweisen sich die Architekten als virtuos darin, technisch schlüssige, mithin wahrhaftige, mithin schöne Antwort zu finden – etwa im Rollgitter, das die Artothek begrenzt – sie bedienten sich kurzerhand bei der Gewerbeausstattung.

 

Einen durchaus eigenen Charme entfaltet die wandbegleitende Sofalandschaft rechts des Eingangs. Ihr weißer Corpus geht wie selbstverständlich aus eben jener weißen Wand hervor, eine schmale braune Rahmenleiste gibt ihm nachgerade den Anschein einer materialisierten Konstruktionszeichnung. Die unterschiedliche Breite der Armlehnen mildert die formale Strenge dergestalt, dass sie zugänglich wird. Eine Polsterung, in der das warme Braun dominiert, lädt zur Berührung – man beachte überdies, wie nonchalant die farbliche Alteration der Bezüge die Sitzfläche gliedert.

 

Schließlich galt es noch eine wesentliche Frage des Kunstvereins zu beantworten: die Frage nach Äußerung. Das Konzept Kunstverein gründet auf Kommunikation. Es gilt, das Seine nach Außen zu künden – und das Außen, eben die Menschen, in sich einzubeziehen.

 

Marie Celine Schäfer und Karsten Weber fand auch hier eine schlüssige Antwort: Die ehedem einzige Tür wurde in einer zweiten gespiegelt, sodass die Front an Transparenz gewann – und der Vorplatz zum integralen Bestandteil des Komplexes wurde.

 

Jener Vorplatz, also die Stelle, an der sich Kunstverein und Außenwelt schneiden, trägt über sich ein mächtiges Zeichen: zwei 16-strahlige stählerne Kronleuchter, deren Konstruktion eine technische Paraphrase des Sonnenhaften, mithin der Lichtquelle an sich ist. Ein suggestives Bild. Und Gewähr dafür, dass der Kunstverein – als Vorweisung dessen, was sich sehen lassen kann – auch gesehen wird.

 

Essay : Martin Berke

 

Januar 2008



Bauherr: Bonner Kunstverein

Leistungsumfang: LP1-5

Fertigstellung: Februar 2007

 

Ein Projekt in Arbeitsgemeinschaft mit dem rheinflügel- Architekten Karsten Weber

Bauleitung: Dipl.-Ing. Hartwig D’hein

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MARIE-CÉLINE SCHÄFER

architektin

foto: petra warrass